Unser Garten 04.2021

Vollmond

Der April war außergewöhnlich kalt und hatte viele Nachtfröste – tatsächlich war es der kälteste April seit Beginn der Wetteraufzeichnungen und der mit den meisten Nachtfrösten.

Trotzdem kommen die Sommergäste aus dem Süden zurück und das fehlende Laub an den Sträuchern und Bäumen macht das Entdecken leichter.

Die Schwanzmeisen sind zur Zeit Dauergäste im Garten und am Meisenfutter. Eine schien ein paar Tage lang eine merkwürdige Faszination für unser Wohnzimmer zu entwickeln und flog ständig die Scheibe entlang – aber nie wirklich dagegen. An den Kopfzeichnungen kann man die beiden auseinanderhalten.

Ein Zaunkönig hat sich den Rosmarin an der Werkstattwand (keine 2 m von der Küchentür) für sein Nest ausgebaut und ruft mit lauter Stimme nach einem Weibchen.

Die Stieglitze scheinen in den Eiben des Waldgartens ein Nest zu bauen und sammeln u.a. Hopfen von der Terrasse. Hopfen hat antibakterielle Eigenschaften.

Der Mond wurde in den sozialen Medien sehr gehyped, weil er besonders groß am Horizont aufgehen sollte. Da die Sicht ausnahmsweise perfekt war, habe ich versucht ihn mit einem alten analogen Objektiv auf der Digitalkamera aufzunehmen.

Besuch zum Frühstück

Beim ersten Wahrnehmen der schlanken Gestalt in den Steinen zuckte „Ratte!“ durch den Kopf. Aber zum Glück war es ein Mauswiesel, das gerade zum Frühstück vorbei schaute.

Wenn man sich die Gesichtszeichnung anschaut, ist zu erkennen, dass es sich um ein anderes Individuum als beim letzten Besuch vor ein paar Tagen handelt.

Eisvogel

Eisvogel am Gartenteich

Meine Frau hat mich schon etwas belächelt, als ich letztes Jahr einen Ast als Ansitz für den Eisvogel über unseren Teich montiert habe. Das war, als wir zum ersten Mal einen Eisvogel am Teich beobachtet hatten.

Zugegebenermaßen gibt es in unserem Teich nicht viel, was für den Eisvogel interessant sein könnte. Fische jedenfalls sucht er hier vergeblich. Beute wären Libellenlarven, Molche und Kaulquappen oder kleine Frösche.

Die letzten Tage hat er uns trotzdem mehrfach besucht. Mit einer anständigen Kamera konnte ich ihn nicht einfangen, aber dafür hat die Wildtierkamera ein paar Bilder (mäßiger Qualität) gemacht.

Besuch vom Mauswiesel

Eigentlich wollte ich an diesem sonnigen Tag mal was im Garten schaffen…

Aber dann entdeckte meine Frau einen Eisvogel am Teich. So eine Sichtung macht natürlich Hoffnung auf mehr und so war ich mehr am Gucken als am Arbeiten. Zur Kaffeepause saßen wir dann am Teich – ohne Kamera – als der Eisvogel sich wieder nur wenige Meter entfernt von uns setzte.

Als dann aber auch noch ein Mauswiesel zum ersten Besuch des Jahres auftauchte, war die Kamera schnell geholt. Zum Glück sind die kleinen Marder recht neugierig. So konnte ich auf wenige Meter herangehen und ein paar nette Bilder machen.

Unser Garten 09.2020

Der September hatte ein paar schöne Überraschungen parat. Leider war nicht immer die Kamera rechtzeitig zur Hand. So hatte meine Frau mich ausgelacht, als ich letztes Jahr einen Ast als Ansitz für Eisvögel am Teich aufgebaut habe. Und da saß er dann – nur ich war ohne Kamera…

Aber ich will nicht meckern:

Unser Garten, 08.2020

2020 war bisher ein sehr gutes Jahr für Libellen. Plattbauch und Blaupfeil haben sich zwar etwas rar gemacht, aber viele andere sind fast ständig am Teich zu beobachten. Wahrscheinlich haben wir auch noch nie zuvor in den letzten fünf Jahren, seit wir den Teich angelegt haben, so viele schlüpfende Libellen beobachten können.

Die Ringelnattern sind dieses Jahr etwas scheuer. Aber trotzdem begegnen wir ihnen immer wieder. Vielleicht liegt es daran, dass gefühlt weniger Molche zu beobachten sind und sich die Schlangen nur zeitweise bei uns aufhalten, da ihre Lieblingsbeute knapp ist.

Unser Garten, 07.2020

Der Juli hatte einige kleine Dramen zu bieten. Die Ringelnattern sind am Teich, weil es genug Nahrung gibt. Aber trotzdem ist es immer wieder genauso gruselig wie interessant zu sehen, wie sie recht große Beute wie hier einen Grünfrosch verschlingen.

Jedenfalls sorgen die Grünfrösche für reichlich Nachwuchs. Die Kaulquappen sind riesengroß (Körper 2-3 cm) und tummeln sich in Stadien mit nur Schwanz, Schwanz und Hinterbeinen und allen Gliedmaßen im Wasser.

Auch die kleine Klappergrasmücke, die von der Terrasse in den Teich fiel sorgte für Aufregung.

Am Teich nutzen jedenfalls die Libellen regelmäßig den Ast als Ansitz, den ich dort für eventuell vorbeikommende Eisvögel aufgebaut habe.

Der Bahn eine neue Chance?

Als bekennender Bahnhasser hatte ich eine interessante Bahnfahrt von Flensburg nach Hamburg, die mich meine Ablehnung neu überdenken lässt.

0:1

Ein paar alkoholisierte, jugendliche Vollspacken dröhnen die anderen Fahrgäste mit einem miesen, deutschen Schlager über „meine Heimat ist Mallorca“ in einer Endlosschleife aus schlechten Lautsprechern zu und sich selbst dabei mit einigen Flaschen aus einer Kiste Flensburger Pilsener. Die Schaffnerin ermahnt sie zweimal zur Rücksichtnahme bis die grausige Beschallung nach vielen Zugkilometern endlich endet. Jetzt hört man sie dafür Rotze durch die Nasen hochziehen und Rülpsen – 0:1 gegen die Bahn.

1:1

Die Fahrt über die Eisenbahnbrücke von Rendsburg wird ausnahmsweise ein Plus für die Bahn. Wenn man bei der Reise durch Schleswig-Holstein schon aufgehalten werden muss, dann bitte mit so schönen Bildern dieses beeindruckenden Bauwerks und einem wunderbar rötlich, warmen Licht über der Landschaft. 1:1 für die Bahn.

2:1

Hinter Rendsburg steigt eine junge Frau – ein Mädchen? – von siebzehn bis neunzehn Jahren ein. Sie trägt ein elegantes, schwarzes Kleid, welches vorne hochgeschlossen aber hinten tief ausgeschnitten ist. Der ärmellose Schnitt offenbart, dass sich ihre Sommersprossen weit über das Gesicht hinaus ziehen. Augen und Mund sind perfekt geschminkt und stehen in einem gewissen Kontrast zur langen, rotblonden Mähne. Als sie sich hinsetzt, packt sie eine stabförmige Apparatur aus, die sich als Lockenstab entpuppt und über die kommende Stunde die Wildheit der Frisur der Eleganz der restlichen Erscheinung anpasst. Die Steckdose musste sie nicht lange suchen – offensichtlich nutzt sie die Bahnfahrt nicht erstmalig zum Stylen. Als die Haare fertig sind, werden noch die Fingernägel sehr akkurat lackiert. Bis Hamburg Dammtor gibt sie ein in sich stimmiges Bild ab. Respekt für so viel Selbstvertrauen. Würde ich die Bahnfahrt zum Rasieren im Abteil nutzen? 2:1 für die Bahn.

2:2

Auf freier Strecke vor Hamburg bleibt der Zug stehen und der Zugchef murmelt etwas von Verkehr auf der Strecke. Der Zug fährt wieder an. Der Zug bleibt wieder stehen. Der Zugchef murmelt etwas nur regelmäßig Bahnfahrenden oder Bahnmitarbeitern Verständliches. Was ich verstehe ist „circa sieben Minuten Verspätung“. Ich möchte zwar nur den S-Bahnanschluss erreichen, aber eine Fahrt auf der Strecke zwischen Hamburg und Flensburg ohne Verspätungen wäre auch mal nett. 2:2 gegen die Bahn.

3:2

In dem Kapstadt-Reiseführer, den meine wunderbare Frau mir kurz vor der Abfahrt geschenkt hat, bin ich auf Seite 143 angekommen und habe schon einiges über Geschichte, Natur, Sehenswürdigkeiten und – sehr wichtig – die Küche der Kapprovinz gelernt. 3:2 für die Bahn.

4:2

Der Doppeldeckerzug nähert sich Hamburg Hauptbahnhof und ich stehe wegen der Verspätung schon im Bereich der Türen. Von der Decke kommt ein Edelstahlhandlauf herunter, vor dem ich mich in acht nehmen muss, da die Bahn offenbar nicht an Menschen über 1,95 Meter gedacht hat. Eine Backpackerin beobachtet mein Ausweichen amüsiert und stellt fest, dass ich im Gegensatz zu ihr jedenfalls an den Handlauf heranreichen kann – was ich nur kurz später beim abrupten Bremsen des Zuges auch muss. Sie fragt, ob ich auf dem Weg zum Airport sei (Rollkoffer, Rucksack und Notebook-Tasche könnten mich verraten haben). Ich bin auf dem Weg ins Hotel, da mein Flieger nach Südafrika morgen früh um sechs Uhr geht. Sie will heute noch nach Island fliegen. Unsere Wege trennen sich und auf dem Weg zu meiner S-Bahn schwelge ich in Bildern von Geysiren und Vulkanen. 4:2 für die Bahn.

5:2

In der S-Bahn spricht mich eine Endfünfzigerin mit Hund an, ob ich Deutsch verstände. Dem Aussehen und Akzent nach könnte sie aus dem Iran kommen. Ich bejahe ihre Frage und sie sagt mir mit einem breiten Lächeln, „Sie sind ein sehr schöner Mann“. Sprach‘s und verlässt mit ihrem Hund den Zug, ohne sich noch einmal umzudrehen. Das hört man(n) nicht aller Tage. Definitiv 5:2 für die Bahn.

5:3

Während ich noch etwas irritiert aber lächelnd der Dame mit Hund nachblicke, reißt mich eine Stimme aus der Mitte des Wagens zurück in die harte Realität des Bahnfahrens. Ein Bettler hält eine Ansprache und bittet um Geld oder etwas zu essen. Er sieht nicht ungepflegt oder heruntergekommen aus. Höflich spricht er jeden Fahrgast im Abteil an und wünscht jedem noch einen schönen Abend, obwohl niemand ihm etwas gibt – ich auch nicht. So ist das Leben und die Realität. Aber dieser Bruch war gerade zu hart für mich. 5:3 gegen die Bahn.

5:4

Ich habe nicht lange Zeit über meine Schamgefühle nachzudenken, dass ich dem freundlichen Bettler kaum in die Augen schauen mochte. Ein offensichtlich alkoholisierter Mann pöbelt einen freundlich dreinschauenden Mann auf dem Bahnsteig an und droht ihm für morgen Gewalt an. Dieser reagiert gelassen, der Pöbler sammelt seinen Plastikbeutel mit Pfandgut und diverse andere Taschen und einen Rucksack ein – und besteigt durch die Tür, an der ich stehe, das Abteil. Seine Habseligkeiten purzeln auf den Boden, er rafft sie wieder zusammen und lässt sich in einen Sitz fallen.

Plötzlich fängt er an, eine ältere Dame und ihren Begleiter anzupöbeln, dass die Syrer uns das ganze Land wegnähmen und weitere Ausländerfeindlichkeiten. Sie reagiert kaum. Er hat offensichtlich die gelbe Plakette mit den drei schwarzen Punkten nicht bemerkt.

Er wechselt das Thema und beschimpft die beiden jetzt, dass sie im dritten Reich doch auch die Schnauze gehalten hätten und dass sie dafür den Tod verdienten. Er würde das erledigen, es ginge alles ganz schnell. Er fängt an, in einer seiner Tüten zu wühlen, ich fange an zu überlegen, mit welchem meiner Gepäckstücke ich einen Angriff abwehren könnte. Er zieht eine leere Bierdose aus der Tüte, stopft sie wieder rein und wühlt weiter. Jetzt zieht er eine leere Bierflasche heraus. Die Anschläge mit Axt und Messer in einem Zug und einer Pistole vor einem Einkaufzentrum sind erst wenige Tage her. Ich bin froh, dass es keine Pistole ist und warte, ob er den Boden der Flasche abschlagen will. Er steckt auch die Flasche in seine Tüte zurück. Voller Anspannung beobachte ich, was er weiter tut. Ich möchte den Besoffenen aber auch nicht unbedingt mit meiner Aufmerksamkeit reizen.

Das ältere Paar verlässt die Bahn, der Säufer beruhigt sich und schaut aus dem Fenster. Plötzlich erhebt er sich und stellt leicht wankend fest, dass er hier doch aussteigen möchte. Ich sacke etwas in mir zusammen. 5:4 gegen die Bahn.

Beim letzten Erlebnis möchte ich nicht einfach einen Punkt gegen die Bahn vergeben – das ist mindestens zwei Minuspunkte wert. Es steht 5:5 unentschieden.

5:6

Während ich diese Zeilen am Schreibtisch des Hotelzimmers schreibe, meldet sich mein von den viel zu kleinen Sitzen im Regionalexpress geschundener Rücken schmerzhaft wieder zurück. Ich werde in diesem Leben kein Bahnfahrer mehr. Es steht 5:6 gegen die Bahn.